Lassen Sie mich durch, ich bin Logopäde
Linkedin ist ja schon ein bisschen zum facebook für die alternde Absolventengang geworden, mich eingeschlossen. Hier sind die Mitgliedsnamen noch echter, die Profilbilder häufiger, die Beiträge recherchierter und die Kommentare in ganzen Sätzen. Ich steige gern in die Tiefen der aufgefächerten Diskussionen ein und erfreue mich an der ansteigenden Kurve der versteckten und dann irgendwann offen ausgetragenen Attacken der (vor allem) Herren, die so lange um Fassung gerungen haben und weiter „erwachsen“ diskutieren wollten. Klappt aber nicht, weil der Andere den blauen Bagger geklaut hat und jetzt behauptet, es wäre ein rotes Feuerwehrauto. Und wenn die Schlammschlacht ihren intellektuellen Höhepunkt erreicht hat, belohne ich mich und schaue auf die angeführten Titel der Jungs. Köstlich, wie man als „Founder“ oder „CEO“ oder „Entrepreneur“ bereits in der 3. Runde die Deckung sinken lässt und sich als das präsentiert, was man wohl wirklich ist – ein intoleranter, unhöflicher und stänkernder Mensch mit hoffentlich nicht zu viel Verantwortung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Wofür ist eigentlich das Textfeld unterhalb des Namens bei LinkedIn gedacht? Gibt es da nicht deutlich unterhaltsamere Untertitel, die direkt auf das mögliche Niveau der nachfolgenden Beiträge hinweisen? Ich habe da mal was vorbereitet, hier meine gesammelten Top 5 der perfekten Sublines.
Auf Platz 5 – „Endlich einfacher E-Mails“ – warum kommt der erst jetzt? Wo war er, als ich die E-Mails meines damaligen Chefs immer falsch verstanden habe?
Auf Platz 4 – „TopExecutiveCoach, TopKeynoteSpeaker“ – da geht doch noch was, das kann doch noch nicht alles ein? Das sind doch bestimmt mehr als 30 Zentimeter!
Bronze – „Do. or do not. there is no try.“ – Ähm – Meister Yoda für Fortgeschrittene, der braucht länger, hilft dann aber auch nicht weiter.
Silber – „Mach!Doch!Einfach!“ – hört ihr ihn auch schreien? Inhaltlich ja schon fragwürdig, aber die 3 Ausrufezeichen lassen mich dann doch zittern.
Gold – „Kirchturmspitzblitzableiterblattvergolder“ ist doch der Klopfer, oder? Von dem lese ich dann auch gern die Diskussionsbeiträge.
Sonderpreis für – „Ich bin das kleinste Licht, aber ich brenne“ – ich finde den konkurrenzlos blöd.
Ich gebe zu, wenn ich mal eine Pause am Bildschirm brauche, ist Linkedin inzwischen mein Netflix – halt großes Kino.
Von Kerstin Hatter