Bin ich schon drin… oder 3 harte Nüsse für Analogbrödel
Immer, wenn ich zu lange in dem Business Netzwerk LinkedIn surfe, habe ich den Eindruck, ich wurde vollständig von den Digital Optimierten, den Personal Gebrandeten und den Online Professionals abgehängt und das Geschäftsleben findet inzwischen auf einem Niveau statt, dem ich ganz klar nicht entsprechen kann und unter uns, auch nicht will.
Um mich dann zu erden, nehme ich einfach an einer schnöden Videokonferenz teil oder organisiere sogar selbst ein Online Webinar, für deren Inhalt und Durchführung ich manchmal sogar verantwortlich bin. Die Eindrücke von den Fähigkeiten und der Bereitschaft der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich diesen digitalen Welten hinzugeben, sind manchmal ärgerlich, oftmals köstlich und ich weiß dann – die Welt ist bunt, auch an dieser Stelle.
Beispiel 1 – Unser Rotary Club organsiert für die Schülerinnen und Schüler mehrerer Gymnasien sogenannte Berufsorientierungsgespräche über Zoom in Form einer virtuellen Messe. Wir Silberrücken und -rückinnen (der musste sein) pünktlich, gekämmt und mit einem hippen Hintergrundbild am Start. Von den Blagen hatte genau 1 junge Dame ihre Kamera an. Alle anderen traten lediglich mit ihrem Vornamen in Erscheinung und blieben ansonsten unsichtbar.
Beispiel 2 – Ein virtueller Workshop zur Vorstellung eines IHK Ausbildungsangebots begann mit der immer wieder kolportierten Situation, allen den Gebrauch des Mikrofonzeichens zu erklären, vor allem das Ausschalten. Die Hälfte der 10 Teilnehmenden (wir haben offline die 3-fache Teilnehmermenge) entschuldigte sich damit, ihre Kamera würde nicht funktionieren, 3 davon ergänzten, auch das Mikrofon wäre kaputt. Wie wir das rausbekommen haben? Es lebe der Chat, da fühlen sich offensichtlich alle wieder wohl vermutlich, weil man dabei so schön „remote“ agieren kann.
Beispiel 3 – meine Freundin befand sich im Homeoffice als Personalleiterin mitten in einer sehr, sehr wichtigen Videokonferenz mit allen Chefs des großen Mittelständlers. Extra den Hintergrund aufgeräumt, um keine Palmen einblenden zu müssen, das Licht optimiert und wenigstens obenrum very busy gekleidet. Die ganze Zeit bittet unter dem Tisch eine ihrer Katzen um Aufmerksamkeit und nach einer, für die Katze angemessenen, Zeit springt sie auf den Tisch und legt sich mit ihren stattlichen 8 Kilogramm vollständig auf die Tastatur. Präsentation aus, Konferenz aus, Laptop aus. Das letzte, was die Chefs sahen, war ein Katzenpopo. Die Story hat das Zeug für einen Running Gag.
Die Thesen von Analogbrödel lauten an der Stelle:
1. Digital ist noch lange nicht das neue Normal, nur weil es das Gebot der Stunde ist. Wenn es dazu führt, dass zwischenmenschliches auf der Strecke bleibt, dann lasse ich es lieber weg.
2. Nur weil ich die angebotenen Online Medien nutze, bin ich nicht befreit von den allgemein gültigen Geboten der Höflichkeit und der Notwendigkeit, mich vorab mit den sinnhaften Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen. Schönes Gleichnis, wenn auch nicht von mir: ich setze mich doch auch nicht mit einer Papptüte über den Kopf in einen physischen Workshop, weil ich heute nicht gesehen werden will.
3. Der nicht immer freiwillige Einblick in die privaten Umfelder unserer lieben Mitmenschen sollte mit mehr Augenmaß angeboten werden. Manche Bilder sind schwer wieder los zu werden, wenn wir uns eines Tages wieder häufiger im Büro gegenübersitzen.
Ich wünsche ein Herz und Hirn stimulierende Adventszeit und immer schön negativ bleiben!
von Kerstin Hattar